Das Adventlied Gott, heilger Schöpfer aller Stern, das heute sowohl im Gotteslob (Nr. 230) als auch im Evangelischen Gesangsbuch (EG 3) zu finden ist, basiert auf den lateinischen Hymnus Conditor alme siderum, der in der Adventszeit zur Vesper gesungen wird und seit der Spätantike bekannt ist. Quellen reichen zurück bis ins 10. Jahrhundert, wo das Werk unter anderem aus dem Kloster Kempten überliefert ist.
Der Hymnus Conditor alme siderum war ein zutiefst geistliches Werk, ganz im Sinne der katholischen Theologie.
Im Jahr 1523 überarbeitete der Reformator Thomas Müntzer (1489–1525) den alten lateinischen Hymnus und schuf mit Gott, heilger Schöpfer aller Stern eine moderne Fassung, in der die neue Sichtweise der Reformationszeit durchklingt. Denn Müntzer war anfangs ein theologischer Mitstreiter Luthers, der dann aber zum geistlichen Führer der aufständischen Bauern jener Zeit wurde.
»Etwas von seinem revolutionären Impetus wird auch im Adventshymnus spürbar: Die neue Herrschaft Christi soll die Welt, die sich dem „Abend“, dem Ende zuneigt, nach dem Willen Gottes neu gestalten.« kommentierte einmal der schweizerische Theologe Andreas Marti dieses Lied.
Auch Müntzers Umdichtung wendet sich gleich in der ersten Strophe an Gott, den Schöpfer. Die Menschen, die sich von ihm entfernt wissen, bitten um die Erleuchtung, damit sie Jesus Christus als den Mensch gewordenen Sohn Gottes erkennen. Denn durch die Sünde ist das Bild des Menschen von Gott getrübt. Wir leben nicht mehr im Paradies, nahe Gott, sondern gefangen in der Sünde. Um uns davon zu befreien, hat Gott seinen Sohn geschickt; so steht es in der Bibel. Und weiter: das Kommen Christi geschieht zu der Stunde, »da sich die Welt zum Abend wandt«, wie es in der dritten Strophe des Lieds wird.
Weihnachten wird uns hier zutiefst religiös dargestellt. Kein Wort von Weihnachtsbaum, Familienfest oder gar Geschenkorgien, wie wir sie heute kennen. Nein, Müntzers Text zeigt uns Jesus Christus als Gottes Sohn, als Erlöser im biblischen Sinne. »Lob, Preis sei, Vater, deiner Kraft« heißt es in der sechsten und Strophe. Das ist keine leichte Musikkost. Auf YouTube finden sich daher auch primär Instrumentalfassungen und Chorarrangements.
Tom Borg, 27. September 2023